Nichts, Sie haben sogar sehr viel richtig gemacht: Sich über verschiedene Einrichtungen informiert, gemeinsam mit der Mutter diese wichtige Entscheidung getroffen. Doch nicht nur die Heime unterscheiden sich voneinander, sogar die einzelnen Wohnbereiche eines Hauses. Denn wir dürfen nicht vergessen: Dort arbeiten Menschen mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten, Kompetenzen, Stärken und natürlich auch Schwächen. Es kann also immer Probleme geben. Und diese müssen Sie ansprechen.

Eigentlich sollte mit dem Umzug von Margot Schwartz ins Heim alles etwas leichter und besser werden. Jetzt ist für ihre Tochter Angelika jeder Tag ein Alptraum, der geprägt ist von der ständigen Sorge: „Wie geht es meiner Mutter?“ Dabei waren die zwei Jahre zuvor auch schon schwer. Der Vater hatte sich um die seit Jahren psychisch kranke Ehefrau gekümmert, er wusste sie trotz ihrer Krankheit zu mobilisieren, achtete auf ihre Medikamente. Doch nach einer Operation wurde der 84-Jährige selbst hilfsbedürftig, starb nach schwerem Leid. Margot Schwartz wollte als Witwe nicht allein wohnen. Als der Ehemann längere Zeit im Krankenhaus gelegen hatte, war die 78-Jährige zur Kurzzeitpflege in einem Seniorenheim gewesen. Dort hatte sie sich erstaunlicherweise wohl gefühlt, auch erkannten die Pflegekräfte schnell, dass Margot Schwartz auf jede Frage aus Scheu zuerst mit „Nein“ antwortet, auf weitere Bitten aber doch gern bereit ist, am Leben teilzunehmen. Dauerhaft kam diese Einrichtung aus verschiedenen Gründen aber nicht infrage. Angelika Schwartz informierte sich über andere Häuser und war froh, als ihrer Mutter ein Platz in einem Pflegezentrum angeboten wurde, in dem auch der Vater einer Bekannten bis zu seinem Tode sehr gut umsorgt gelebt hatte.

Und das ist auch der richtige Weg, um ein Heim auszuwählen. Ich empfehle noch die „Weiße Liste“ der Bertelsmann-Stiftung. Das Online-Portal bietet die Möglichkeit, unter Berücksichtigung  persönlicher Auswahlkriterien nach einem Haus in der Nähe zu suchen. Aber letztendlich ist es ausschlaggebend, sich die Einrichtung anzuschauen, möglichst zu versuchen, mit Pflegekräften, Bewohnenden und Angehörigen zu sprechen und sich einen Eindruck zu verschaffen.

So haben es auch die Damen Schwartz gemacht. Das moderne Gebäude mit der schönen Parkanlage und dem netten Café-Restaurant, in dem auch Gäste von außerhalb einkehrten, gefiel Mutter und Tochter auf Anhieb. Das Zimmer war hübsch, die alte Dame genoss es, in netter Gesellschaft ihre Mahlzeiten einzunehmen, den Gruppenangeboten wie Vorlesen, Rätseln und Sitzgymnastik folgte sie gern. Wenn auch erst auf die zweite oder dritte Nachfrage des netten Pflegepersonals. Das wusste von der psychischen Erkrankung der Seniorin und ging gut darauf ein. Margot Schwartz wollte zur Freude ihrer Tochter auf Dauer in diesem wunderbaren Heim wohnen bleiben. Die Verträge wurden unterschrieben. Im Hochglanzkatalog der privatwirtschaftlich geführten Einrichtung hätte die Geschichte nun ihr Happy End. Für Margot Schwartz und auch ihre Tochter folgte das böse Erwachen.

„Als der Vertrag unterschrieben war, wurde Mutti auf eine andere Station verlegt und von heute auf morgen war alles anders“, schildert Angelika Schwartz. Wenn Sie mittags auf dem Weg zur Arbeit bei ihrer Mutter vorbeischaute, lag diese meistens im Bett. „Als ich sie gefragt habe, wollte sie nicht aufstehen“, habe die Pflegerin auf Nachfrage gesagt, „und der freie Wille unserer Bewohner ist uns heilig.“ Eine Erklärung, die Angelika Schwartz in der Folgezeit immer wieder hörte. Warum die alte Frau jedoch eingenässt liegen gelassen wurde, darauf gab es nie eine Antwort. Weitere Pannen passierten: Bei der Medikamentengabe, bei der Essensausgabe, bei der Körperpflege. Obwohl Angelika Schwartz immer wieder die überforderten Pflegekräfte ansprach und auch laut wurde, sich mehrfach bei der Pflegedienstleitung beschwerte, verbesserte sich die Situation nicht. Margot Schwartz baute zusehends ab. Die trotz ihrer psychischen Einschränkungen bei ihrem Einzug noch recht muntere alte Dame wurde zu einem bettlägerigen, hilflosen Häufchen Elend. Nach einem weiteren ergebnislosen Gespräch mit der Heimleitung zog Angelika Schwartz die Reißleine.

Mit Glück fand sie schnell einen Platz in einem anderen Heim, das sowohl in Online-Portalen als auch vom Hören-Sagen einen guten Ruf hatte. Dass sie einen Monat doppelt zahlen musste, nahm sie in der Not hin, auch wenn sie das Geld anderweitig verplant hatte. „Meine Mutter hatte jeden Lebensmut verloren. Aber nach zwei Monaten in der neuen Umgebung geht es ihr viel besser“, sagt die Tochter heute. „Sie kann wieder am Rollator laufen, und das Wichtigste: Sie vertraut den Pflegerinnen und Pflegern.“ Natürlich liefe auch in der neuen Einrichtung nicht alles reibungslos, „aber ehrlich gesagt verstehe ich nicht, worüber sich manche andere Angehörige aufregen“, meint Angelika Schwartz.

Solch ein dramatisches Beispiel wie das der Familie Schwartz ist zum Glück nicht an der Tagesordnung. Aber es zeigt, dass der Umzug von der eigenen Wohnung in ein Heim nicht alle Probleme löst. Das erkläre ich auch den Teilnehmenden in meinen Seminaren und Coachings: Pflegende Angehörige geben die Verantwortung ja nicht an der Pforte ab. Studien belegen, dass sie sich im Durchschnitt weiterhin pro Woche acht Stunden um den nahestehenden Menschen kümmern, der im Heim betreut wird. Das ist immer noch eine große Belastung.Bei der Suche nach dem Heimplatz hat Angelika Schwartz in beiden Fällen richtig gehandelt. Nach der schlechten Erfahrung war sie bei der zweiten Suche jedoch noch akribischer, hat kritischer nachgefragt und hinterher tatsächlich auch Negatives über die Pflegestation des ersten Heims gehört. „Aber weil wir während der Kurzzeitpflege so begeistert waren, wollte uns das niemand sagen. Das war fatal“, ärgert sie sich. Tief getroffen hat sie der Vorwurf ihrer Tante: „Hättest du deine Mutter nicht ins Heim abgeschoben, wäre ihr viel Leid erspart geblieben, hat sie mir an den Kopf geworfen. Als ob ich nicht ohnehin ein schlechtes Gewissen hätte.“

Aber das muss niemand haben, der sich aus welchen Gründen auch immer dagegen entscheidet, einen Angehörigen zu Hause zu pflegen. Und wenn es keine andere Möglichkeit gibt, dass der hilfebedürftige Mensch in der eigenen Wohnung bleiben kann, ist der Umzug in eine Pflegeeinrichtung eine gute und sichere Alternative. Ideal ist es, wenn Sie gemeinsam vorausschauend und ohne Zeitdruck ein Heim auswählen können.

Hier geht’s zur Weißen Liste der Bertelsmanns-Stiftung.

 

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