Aber nein, Humor ist immer gut und nicht nur in der Pflege der Schlüssel, um unangenehme oder auch peinliche Momente zu entkrampfen. Am schönsten ist es, wenn alle gemeinsam lachen können. Denn das tut einfach gut. Allerdings: Ausgelacht werden möchte natürlich niemand.

Sonntagnachmittag im Seniorenheim: Jan Berger und seine Schwester Carla treffen sich dort, um mit der Mutter einen Spaziergang zum Café zu machen. Die 83-jährige Gisela sitzt im Rollstuhl und braucht Hilfe, um ihre Jacke anzuziehen. Als sie sich dazu kurz und mit Mühe erhebt, entdecken die Kinder allerlei „Schätze“ in den Ritzen des Rollstuhls. Die Tochter will schon schimpfen, doch der Sohn ruft lachend aus: „Ein Wunder, die Mama hat ein Ei gelegt!“ Carla stutzt, muss unfreiwillig kichern, die Mutter errötet leicht und lacht dann auch. Der Sohn birgt mit launigen Worten die weiteren Überbleibsel, die die Seniorin vom Frühstückstisch mitgenommen hat. Als da wären eine mittlerweile matschige Birne, abgepackte Marmelade und Honig, ein zweites gekochtes Ei und angeschmolzene Butter. „Verhungern musst du nicht“, stellt Jan fest. Die Mutter bietet dem Sohn fröhlich an, die guten Sachen doch mitzunehmen. „Aber gern, dann habe ich was zum Frühstück“, sagt er und packt die verdorbenen Lebensmittel in eine Tüte. Nachher wird er sie entsorgen, ohne dass die die Mutter etwas davon mitbekommt.Carla gesteht ihrem Bruder später, dass sie ein wenig neidisch darauf ist, wie locker und humorvoll er in dieser Situation reagiert hat. „Ich war entsetzt, dabei war es ja eigentlich nicht so schlimm. Und Mama hat früher auch nie Lebensmittel liegenlassen oder weggeworfen“, erinnert sie sich. Beide wissen auch, warum das so ist. Die Mutter ist ein Kriegskind, weiß, was es bedeutet, wenn es nicht genug zu essen gibt. Dennoch schimpft Carla deswegen immer wieder mit ihr. „Mit ihr zu lachen, war schöner“, gibt sie zu.

Ortswechsel: Zu seinem 92. Geburtstag lädt Heinrich Koch seinen Sohn Heinz und die Schwiegertochter Sylvia ins Restaurant zum Mittagessen. Der alte Herr bestellt sich eine Suppe und ein Glas Rotwein.  Doch beim Essen ist er schon seit Langem unsicher. Im Pflegeheim ist er damit nicht allein, aber die ungewohnte Umgebung und die anderen Gäste machen ihn noch nervöser. Er schafft es nicht, mit zittriger Hand den Löffel zum Mund zu führen. Die Serviette, die Heinrich Koch vorsorglich umgehängt hat, ist bald bekleckert. Der Sohn schaut hilflos zu und peinlich berührt wieder weg, als die Nudeln auf der Brust landen. Sylvia blickt ihrem Schwiegervater in die Augen, als dieser einen Schluck aus dem feinen Kelch trinkt und der rote Wein rechts und links die Mundwinkel herunter läuft. Beide schmunzeln, sie zeigt auf die bunten Flecken seiner Serviette und meint: „Das ist Kunst.“ Er lächelt erleichtert, der Sohn lacht laut auf. Als erstes bittet die Schwiegertochter den Kellner, den Wein in ein griffiges Wasserglas umzufüllen und um zwei frische Servietten. Dann fragt sie den Schwiegervater: „Darf ich Dir mit der Suppe helfen?“ Dankbar nickt er. Sylvia bindet ihm eine frische Serviette um, er überlässt ihr freiwillig den Löffel. „Ich habe noch nie jemanden gefüttert, nur einmal meinem Patenkind die Flasche gegeben“, erzählt sie. Heinrich Koch schluckt und entgegnet: „Na, soweit bin ja noch nicht“ Und wieder lachen alle drei. Den Wein kann er aus dem Wasserglas nicht ganz unfallfrei, aber deutlich besser trinken. Sylvia reicht ihm die zweite Serviette und zeigt, wo er tupfen muss. Als das Essen nach einiger Zeit beendet ist, kommt eine Frau vom Nachbartisch zu Ihnen und sagt zu Heinrich Koch: „Sie haben aber eine nette Familie.“

Zwei kleine Momente, die ohne Humor auch eine andere Wendung hätten nehmen können. Carla Berger hätte ihrem ersten Impuls folgen und die Mutter ausschimpfen können. Denn objektiv betrachtet, ist es unappetitlich und unhygienisch, Lebensmittel im Rollstuhl zu verstecken. Doch so wurde die Situation mit Spaß und Würde entkrampft, Carla Berger hat später die Pflegekräfte auf die Angewohnheit der Mutter hingewiesen. Der Rollstuhl wird nun regelmäßig kontrolliert, vom Personal und den Kindern.  Der Satz „Die Mama hat ein Ei gelegt!“ fällt oft und sorgt immer wieder für Lacher.Heinrich Koch ist wenige Monate nach seinem Geburtstag gestorben. Sohn und Schwiegertochter erinnern sich oft an diesen letzten Restaurantbesuch, der zwar von der Hilflosigkeit des alten Mannes geprägt war, aber auch von der Freude und der liebevollen Innigkeit bei dieser einfachen kleinen Mahlzeit.

Merken Sie, worauf ich hinaus möchte? Sie können Ihr Leben und das Ihrer Angehörigen aus vielen Perspektiven betrachten. Manchmal sind wir einfach wütend, gereizt und genervt. Aber das ist anstrengend. Wer sich seinen Humor bewahrt und die komischen Seiten des Lebens erkennt, macht es sich leichter. Der Krankenpfleger John Gilman hat 2003 eine spannende Abhandlung über Humor und Pflege geschrieben. Darin beschreibt er zum einen die positiven physischen Folgen des Lachens: So soll herzhaftes Lachen chronische Schmerzen lindern, die Hormonproduktion ankurbeln, für guten Schlaf sorgen und vieles mehr. Vor allem aber schafft gemeinsames Lachen Verbundenheit, es überwindet schamvolle Situationen, entspannt, ermöglicht ein liebevolles Miteinander. Also, lachen Sie mit! Über sich, über andere und am liebsten zusammen.

Info: Hier finden Sie eine lesenswerte und mutmachende Abhandlung des Krankenpflegers John Gilman über „Humor in der Pflege“.

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Danke! Das hat geklappt.