Meine alten Eltern wohnen in einem Haus voller Sachen, an denen angeblich ihr Herz hängt. Wie kann ich Sie dazu bewegen, jetzt schon aufzuräumen, damit ich es am Ende nicht allein tun muss?

Fast jeder von uns hat das Problem, zu viel zu besitzen. Sei es Kleider, Bücher, Haushaltsgegenstände oder auch einfach Krempel. Wenn der Gedanke an diese vielen Dinge nervös macht, ist es höchste Zeit zu handeln und auszusortieren. Und falls Ihre Eltern nicht mitziehen, fangen Sie in Ihren eigenen vier Wänden an. Auch das ist befreiend.

„Ich habe angefangen, meinen Haushalt von überflüssigen Dingen zu befreien.“ Das ist der erste Satz den Buches „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“. Ich liebe dieses Buch und habe es schon etlichen meiner KlientInnen und in Kursen empfohlen. Denn das Besondere daran: Die schwedische Autorin Margareta Magnusson ist alt, nach eigenen Angaben war sie bei der Erscheinung des Buches im Herbst 2021 zwischen „80 und 100 Jahre“. Die Frau hat also Erfahrung und weiß, worüber sie schreibt. Sie ist oft umgezogen in ihrem langen Leben. Und als Betroffene hat sie selbst die Haushalte ihrer Eltern und Schwiegereltern auflösen müssen. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie das große Haus in eine kleine Wohnung getauscht und sich dabei schon von vielen Dingen getrennt.

Nun will Margareta Magnusson ihren eigenen Kindern möglichst wenig Ballast hinterlassen, wenn sie einmal sterben wird. Die Schweden haben dafür sogar ein eigenes Wort: Döstädning. Direkt übersetzt hieße es „Todaufräumen“. Weil wir Deutschen uns mit solch ehrlichen Begriffen schwer tun, kursiert auch die englische Bezeichnung „Death Cleaning“. Aber reden wir doch einfach nicht um den heißen Brei herum: Es geht darum, nach seinem Tod möglichst wenig Zeug zu hinterlassen, das andere entsorgen müssen. Und weil das Sterben keine Frage des Alters ist, können wir eigentlich nicht früh genug damit anfangen.

Erinnern wir uns an die Beispiele aus den vergangenen beiden Newslettern. Gerald Wagner (alle Namen geändert) musste das Haus seiner Mutter aufräumen, als diese ins Pflegeheim gezogen ist. Das war arbeitsintensiv, verlief aufgrund guter Planung jedoch ohne allzu schmerzhafte Erfahrungen. Anders war das bei Sandra Silvers, die bei der Auflösung des Elternhaues auf etliche Familiengeheimnisse gestoßen war, die sie zutiefst irritierten und ihre eigene Kindheit in ein neues Licht tauchten. Die Lehre, die jeder von uns aus diesen Beispielen ziehen kann: Wollen wir das unseren Erben antun? Dabei ist es gleichgültig, ob wir Kinder haben oder nicht. Denn irgendwer wird sich um unseren Nachlass kümmern müssen.

Nun ist es eine Sache, ob wir uns selbst vornehmen, unseren Besitz zu entschlacken, und eine andere, ob wir unseren Eltern vorschlagen, ihre Haushaltsauflösung doch schon mal etwas vorzuziehen. Denn sowas passiert doch eigentlich erst nach dem Tod. Viele von uns scheuen sich, mit anderen über das Sterben zu sprechen. Aber wer Skrupel hat zu reden, wird am Ende unweigerlich mit dem Berg Sachen dastehen. Doch wie so oft im Leben, macht auch beim Reden über den Tod der Ton die Musik. Margarete Magnusson schlägt vor, das Thema behutsam anzuschneiden, etwa mit der Frage: „Ihr habt so viele schöne Sachen. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, was ihr später einmal damit machen wollt?“ Auch die Frage danach, ob all die Dinge wirklich noch Freude machen oder ob das Leben nicht vielleicht sogar jetzt schon weniger anstrengend wäre, mit etwas weniger Besitztümern, können der Türöffner zum Gespräch sein. Wenn die Eltern zunächst abblocken, gilt wie in allen schwierigen Lebenslagen: Nicht lockerlassen, sondern sanft, aber bestimmt am Ball bleiben.

Doch ob wir nun zu Lebzeiten den Haushalt der Eltern reduzieren oder bei uns selbst anfangen: Margarete Magnusson hat Tipps, wie wir uns den Prozess erleichtern. „Wählen Sie eine Kategorie, die Ihnen einfach zu handhaben erscheint – eine Kategorie mit vielen Gegenständen zu denen Sie keine besonders enge emotionale Beziehung haben.“ Sie fängt mit den Dingen an, von denen Sie sich am leichtesten trennen kann: den Kleidern. Eine wirklich gute Kategorie, wie ich finde. Hand aufs Herz: Wir viele der Sachen in Ihren Schränken und Schubladen tragen Sie noch? Wie viele Hosen schlummern da seit Jahren, weil sie am Bund kneifen und sie es nicht schaffen, sich wieder hinein zu hungern? Und wenn endlich wieder ein Anlass wäre, das gute Kostüm anzuziehen, dass wir uns einst für die Goldhochzeit der Eltern angeschafft haben, kaufen wir uns doch lieber etwas Neues.

Magnusson rät, den Schrank komplett auszuräumen und dabei die Klamotten in zwei Stapel aufzuteilen: Das, was wir behalten möchten und das, was wegkann. Bevor wir die Sachen, die wir weiterhin tragen möchten, zurückhängen, schauen wir jedes Teil kritisch an. Muss es repariert werden oder in die Reinigung? Erst wenn das erledigt ist, darf es zurück in den Schrank. Sie werden staunen, wie schnell sie auf diese Weise mindestens einen Sack für die Altkleidersammlung gefüllt haben.

Nach dieser Methode können wir uns alle weiteren Kategorien und Räume vornehmen. Die Küchenschränke mit all diesen Helferlein, die die Schublade verstopfen, die Pflegeprodukte im Bad, Bücher, CDs, die Regale im Keller und, und, und. Eine andere praktische Idee: Meine Freundin Silvia hatte es sich vor längerer Zeit zur Angewohnheit gemacht, dass die Tonne bei der Restmüllanfuhr am Abfuhrtag nur ganz voll am Straßenrand stehen darf. Irgendwo im Keller fand sie immer einen kaputten Blumentopf oder etwas anderes, das wirklich nur noch zum Wegwerfen gut war. Entdeckte sie bei der Suche Dinge, die für den Abfall zu schade waren, packte sie sie in eine Kiste. Sobald diese gefüllt war, stellte Silvia sie mit einem Schild „Bitte bedienen Sie sich“ an den Straßenrand vor die Haustür. Ruck, zuck haben die Sachen, die nur Platz weggenommen haben, andere Menschen glücklich gemacht. Und das, was nach zwei Tagen keinen neuen Besitzer gefunden hatte, durfte in die Restmülltonne. Denn offenbar wollte es niemand auch nur geschenkt haben.

Übrigens: Wenn Sie nun meinen, dass Silvias Regale und die Wohnung immer tipp-topp aufgeräumt und frei von jedem Krempel sind, kann ich Sie beruhigen. Sie ist auch nur ein Mensch, bei dem sich ständig neue Dinge ansammeln. Aber es ist eben in jedem Alter wichtig, den Überblick zu behalten und regelmäßig aufzuräumen.

Das gilt übrigens vor allem für die Dinge, die nur uns selbst etwas angehen: Briefe, manche Fotos, Tagebücher. „Wenn es Ihr Geheimnis ist, hüten Sie es“, rät Margarete Magnusson. Das bedeutet unweigerlich, Dokumente zu vernichten, die die Nachwelt nichts angehen. Die Schwedin formuliert das auch sehr lustig: „Behalten Sie Ihren Lieblingsdildo, aber werfen Sie die anderen 15 weg! Wozu Sachen aufheben, die nach unserem Tod unsere Angehörigen schockieren oder verstörend könnten?“

INFO: „Frau Magnussons Kunst, die letzten Dinge des Lebens zu ordnen“ ist erschienen im Verlag S. Fischer und kostet 20 Euro.

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