Nein, Sie bekommen einen Menschen, der die gleichen Rechte und Pflichten hat wie deutsche Arbeitnehmer. Wie im richtigen Leben gilt auch für die ausländische Hilfskraft: Toleranz, Verständnis und Aufeinander-Zugehen sind wichtig für das Gelingen des Beschäftigungsverhältnisses und eine gute Pflege des Angehörigen.

Eins vorweg: Oft klappt es gut mit der professionellen Betreuung daheim. Vor allem wenn die zu Pflegenden – soweit möglich – ihr Einverständnis gegeben haben und allen klar ist, dass der Begriff „24-Stunden-Pflege“ irreführend ist. Die Pflegekraft ist schließlich keine Sklavin, die rund um die Uhr zu Diensten ist. Auch die osteuropäische Kraft darf maximal 60 Stunden pro Woche arbeiten, sie hat ein Recht auf mindestens elf Stunden Ruhe zwischen ihren Einsätzen und einen freien Tag pro Woche und laut einem Gerichtsurteil vom vergangenen Juni Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von 9,60 Euro (Stand 2021).
Und auch das ist zu beachten: Viele der Frauen, die von Agenturen nach Deutschland vermittelt werden, sind keine ausgebildeten Pflegerinnen. Als Betreuungskräfte dürfen sie den Haushalt führen, der Pflegeperson bei der Körperhygiene, dem Toilettengang und Essen helfen, sie im Alltag begleiten. Aber alles, was zur medizinischen Behandlungspflege zählt, wie Medikamentengabe, Spritzen oder Blutzuckermessung dürfen nur Pflegefachkräfte vornehmen. Ist diese Art der Hilfe erforderlich, wird der Arzt sie verschreiben, damit ein ambulanter Pflegedienst sie durchführen kann. Manche Agenturen vermitteln je nach Pflegegrad und Bedürfnissen aber auch Pflegefachkräfte. Nach drei Monaten steht übrigens unweigerlich ein Wechsel an. Ihr Angehöriger wird über das Jahr gerechnet mindestens von zwei, eventuell auch mehreren Personen betreut. Jeder Wechsel wird eine menschliche Herausforderung sein.

Wie es gründlich schiefgeht, zeigt folgendes Beispiel: Gerd Schwarz kann nicht mehr allein leben. Er wehrt sich vehement dagegen, ins Heim zu ziehen. „Das klappt doch“, meint der Senior. Dass es nur funktioniert, weil die Tochter Sandra sich aufreibt zwischen ihm, dem Beruf und der Familie, ignoriert er. Die „polnische Pflegerin“ scheint die Lösung für alle Probleme zu sein, auch wenn der Vater niemand Fremdes im Haus haben will. Aber Sandra kann nicht mehr. Sie hat über den Kopf des Vaters hinweg durch eine Vermittlungsagentur eine 24-Stunden-Betreuung engagiert. Da der 84-Jährige ein gutes Auskommen hat, kann er sich das leisten. Das „Rundum-Sorglos-Paket“ kostet Herrn Schwarz 2500 Euro im Monat, Feiertagszuschläge und Fahrtkosten für die Kraft sowie eine Pauschale für die Agentur inklusive. Die Gespräche mit der Vermittlungsagentur empfand die Tochter als erleichternd. In einem Fragebogen kreuzte sie an, was sie von der Kraft erwartet. Natürlich muss sie gut Deutsch sprechen, das ist der Aufpreis wert. Sie soll dem Vater bei der Körperpflege helfen und darauf achten, dass er täglich die Wäsche wechselt. Sie soll einkaufen, gesund kochen, den Haushalt in Ordnung halten. Sie achtet darauf, dass der alte Herr genug trinkt, nicht stundenlang vor der Glotze abhängt und beschäftigt ihn sinnvoll.

Die Kraft wird bei Vater im großen Haus leben. Die Tochter hat ihr ehemaliges Kinderzimmer neu einrichten lassen und, das hat die Agentur vorgegeben, ein Fernsehgerät und WLAN angeschafft. Dass für „die Polin“, wie er sagt, die 45 Jahre alten Jugendmöbel nicht gut genug seien, sah Vater nicht ein: „Das braucht die nicht.“ Sandra stellt, wie so oft, die Ohren auf Durchzug. Sonst gäbe es wieder Streit. Und sie ist froh, dass sie bald die Verantwortung für ihren Vater abgeben kann.

Dann steht das „Rundum-Sorglos-Paket“ vor der Tür. „Es“ ist 53 Jahre alt und heißt Agnieszka Wojciechowska. Weil das niemand aussprechen kann, ruft Sandra sie Agnes. Der Vater spricht ohnehin nur von der „Polin“. Die Tochter hofft, dass er sich an die fremde Frau gewöhnen wird. Agnieszka lässt sich kurz alles zeigen. Ihre Standardantwort: „Keine Problem, ich machen!“ Dann möchte sie sich in ihr Zimmer zurückziehen, schließlich hat sie eine 18-stündige Anreise hinter sich. Die Tochter ist enttäuscht. Sie hat von dieser Agnes mehr Enthusiasmus erwartet, deren Deutsch ist nicht wirklich gut. Der Vater hat es immer gewusst, wie soll „die Polin“ auch sonst sein.

Eine Woche später: Die Situation ist eskaliert. Der Vater will „die Polin“ wegschicken. Er mag die fetten Speisen nicht essen, die sie kocht. Sie rollt seine Socken zu Knödeln, statt sie zu falten. Sie hat geschimpft, als er zum wiederholten Mal allein ins Bad gegangen ist und die Hose nicht rechtzeitig aufbekommen hat. Er und die Toilette waren völlig verunreinigt. Aber „die Polin“ ist dafür da, seinen Dreck wegzumachen. Das hat er ihr deutlich gesagt.

Sandra ist verzweifelt. Das Essen ist wirklich ungenießbar. Dass Agnes sich weigert, das offene Diabetikerbein des Vaters zu versorgen, nun ja. Dafür kommt zusätzlich der Pflegedienst. Aber dass sie auf einen freien Tag in der Woche besteht? Vater zahlt ihr doch den Mindestlohn.Und Agnieszka Wojciechowska? Sie will nicht bei diesem undankbaren, bösen Mann bleiben. Ja, er hat im Krieg auf der Flucht aus Schlesien schlimme Erfahrungen gemacht. Das tut ihr leid, aber sie ist nicht schuld. Vater und Tochter behandeln sie von oben herab, versuchen nicht einmal, ihren Namen richtig auszusprechen und mäkeln nur. Agnieszka Wojciechowska packt ihren Koffer, eine andere Familie wird dankbarer sein.

Von außen betrachtet wird schnell deutlich, dass hier an vielen Stellen etwas schief gelaufen ist. Zuerst: Sandra hat viel zu lange gewartet, bis sie Hilfe gesucht hat. Kinder stecken in der Zwickmühle, dass sie sich ihren Eltern gegenüber in der Pflicht fühlen und sie das schlechte Gewissen plagt. Aber sie haben ein Recht auf ein eigenes Leben. Wer sich das deutlich macht und innerlich eine Grenze zieht, strahlt das aus. Die zu Pflegenden spüren das und sind eher bereit, „fremde“ Hilfe anzunehmen.

Im Fall von Gerd Schwarz: Sandra muss ihm deutlich machen, wie gefährlich es ist, allein zu leben. Er könnte zum Beispiel stürzen und völlig unbeweglich werden. Hilfe von außen bedeutet für ihn Sicherheit. So schwer es zu verstehen ist: Sein „polnisches Feindbild“ wird aufgrund seiner prägenden Kindheitserfahrungen nicht zu ändern sein, einer Hilfe aus einem anderen Land vertraut er vielleicht eher.

Eine gute Agentur bereitet ihre Mitarbeiterinnen auf die Pflegebedürftigen vor und vermittelt in schwierigen Situationen. Sie informiert die Kunden offen über die möglichen Leistungen. Medizinische Wundversorgung etwa ist vom Gesetz her schon ausgeschlossen. Das Thema Essen ist ein eigenes Problem. Gerd Schwarz muss natürlich Schonkost für Diabetiker bekommen. Kann die Pflegekraft das nicht sofort leisten, ist „Essen auf Rädern“ zumindest für den Anfang eine Alternative. Am Ende gilt immer: Die Pflegekraft kann den Angehörigen viel Last abnehmen – aber niemals die Verantwortung für den zu pflegenden Menschen.

Alles, was bei der 24-Stunden-Betreuung zu beachten ist, finden Sie hier: Informationen der Verbraucherzentrale

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Danke! Das hat geklappt.