Das ist gut möglich, denn mit dem Alter und der Pflegebedürftigkeit steigt das Risiko, an Long- oder Post-Covid zu erkranken. Suchen Sie unbedingt ärztlichen Rat, vielleicht kann eine geriatrische Reha empfohlen sein.

Marion Markel erkennt ihren Vater nicht wieder. Mit 83 Jahren war Paul Jäger zwar nicht mehr topfit und hatte einige altersbedingte Vorerkrankungen. Und als er sich mit Corona infizierte, hatte die Tochter schon das Schlimmste befürchtet. Aber nach zwei Wochen war er wieder einigermaßen auf den Beinen, auch wenn er immer noch schnell ermüdete und sich häufiger hinlegte, als vor der Infektion. „Unkraut vergeht nicht“, hatte Paul Jäger seiner stets besorgten Jüngsten versprochen. Doch zwei Monate später ist der alte Mann buchstäblich dahingewelkt.

Am Telefon wirkt Paul Jäger oft verwirrt und sucht nach Worten. Bei einem Besuch fällt der Tochter auf, dass der Vater seine Haushaltsarbeit, die er seit dem Tod seiner Frau immer mit einem gewissen Stolz selbst erledigt hatte, völlig vernachlässigt. Statt wie sonst über einem Sudoku brütend, trifft Marion Markel den Vater tagsüber leer vor sich hinstarrend im Bett an. Selbst ein kleiner Gang durch die Siedlung überfordert ihn und raubt ihm den Atem. Dieser Husten will auch nicht weggehen, und selbst sein Lieblingsessen, ein herzhafter Eintopf, kann ihn nicht aufmuntern. Lustlos pickt er darin herum. „Was ist nur mit ihm los?“, drückt die Tochter ihre Sorgen aus, „vor Corona ging es ihm viel besser. Jetzt frage ich mich schon, ob er dement oder depressiv geworden ist.“ Der Weg zum Arzt ist unausweichlich.

Tatsächlich können infolge einer Corona-Infektion die geistige, psychische und körperliche Gesundheit beeinträchtigt sein. Und das Fatale: Oft verschlimmert sich der Zustand auch erst einige Wochen nach der vermeintlich überstandenen Infektion. Die Symptome von Patienten sind sehr unterschiedlich. Verwirrend für den Laien ist auch der Unterschied zwischen Long- und Post-Covid. Hier kurz erklärt: Das Robert-Koch-Institut beschreibt mit „Long-Covid“ Symptome, die mehr als vier Wochen nach der akuten Infektion bestehen. Ab der zwölften Woche sprechen die Ärzte von „Post-Covid“. Da die Krankheit noch so jung und wenig erforscht ist, fällt die Diagnose oft schwer.

Aber Paul Jäger leidet acht Wochen nach seiner Infektion unter Symptomen, die laut Ausführungen des Robert-Koch-Instituts häufig auftreten: Er ist müde und weniger belastbar. Die Ärzte nennen diese Erschöpfung auch Fatigue, aus dem Französischen für Müdigkeit. Husten und Brustschmerzen, Kurzatmigkeit nach kleinen körperlichen Belastungen treten häufig auf. Paul Jägers Geruchs- und Geschmackssinn sind eingeschränkt. Er kann sich zudem sehr schlecht konzentrieren, ist vergesslicher geworden und findet oft die passenden Worte nicht mehr. „Ich habe Nebel im Kopf“, beschreibt er seinen Zustand. Dass diese Situation ihn ängstlich und auch depressiv macht, kann niemanden erstaunen.

Bislang können Mediziner nicht sagen, wen Long- bzw. Post-Covid trifft und warum. Aber Ältere und auch Pflegebedürftige haben aufgrund ihrer Vorerkrankungen ein höheres Risiko. Ist ein älterer Mensch über längere Zeit bettlägerig, baut er zudem sehr viel schneller Muskelmasse ab, als ein jüngerer. Da ist es ungleich schwerer, von alleine wieder auf die Beine zu kommen und sicher zu laufen. Das Risiko für Stürze steigt.

Paul Jäger hatte eigentlich schon den Termin für die vierte Impfung, als ihn das Virus einholte. „Ich habe mich immer geschützt und eine Maske getragen“, erzählt er seinem Hausarzt. „Das war ja nun alles umsonst.“ Doch der Arzt widerspricht: „Die Impfung bietet leider keinen vollständigen Schutz vor einer Infektion. Aber gerade zu Beginn der Pandemie, als wir noch keinen Impfschutz hatten, mussten vor allem alte Menschen oft im Krankenhaus behandelt werden, viele sind an Covid gestorben.“

Der 83-Jährige hat trotz seines belastenden Zustandes noch Glück. Der Hausarzt nimmt die Leiden seines Patienten ernst, tut sie nicht als „altersgemäß“ ab. Das Versprechen, dass „alles wieder so wird wie früher“, kann der Arzt nicht machen. Aber er weist ihn in eine geriatrische Tagesklinik ein, damit die körperlichen und psychischen Beschwerden über einen längeren Zeitraum hinweg intensiv und umfassend behandelt werden. Die Nächte und Wochenenden verbringt Paul Jäger zu Hause in seinem vertrauten Umfeld.

„Papa ist nicht wieder der alte, aber es geht ihm deutlich besser“, stellt die Tochter nach der dreiwöchigen Behandlung fest. Weiterhin bekommt er Hausbesuche vom Physiotherapeuten, der mit ihm das sichere Laufen trainiert. In der Klinik hat der 83-Jährige zudem ein altes Hobby wiederentdeckt: das Singen. „Erst kam ich mir blöd vor, mit diesen alten Leuten zu singen“, hat er seiner Tochter gestanden. Da Singen sich positiv auf Atmung, Konzentration und Sprache auswirkt, hat er sich aber überreden lassen: „Und was soll ich sagen, es hat mir richtig gutgetan.“

In der Tagesklinik hat der Senior erfahren, dass es in der Musikschule seiner Stadt sogar einen Chor gibt, in dem ältere Menschen – auch demente, ihre Angehörigen, Freunde und Nachbarn einmal im Monat gemeinsam singen und dieser nach der langen, pandemiebedingten Zwangspause wieder probt. „Kommst du mit, Marion?“, fragt Paul Jäger seine Tochter. Sie hat erst keine Lust, lässt sich aber von ihm überreden. Nach der ersten Probe ist auch sie begeistert: „Der Chor singt zwar nicht konzertreif, aber wir haben gemeinsam anderthalb Stunden mit Spaß und ohne Sorgen erlebt. Eigentlich schade, dass wir erst durch Post-Covid darauf gekommen sind.“

Online gibt es viele Informationen über Long- und Post-Covid. Aufschlussreich und umfassend ist die „Leitlinie ,Long-/Post-COVID-Syndrom‘ für Betroffene, Angehörige, nahestehende und pflegende Personen“ auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts.

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