Mit dem Alter steigt zwar das Risiko, abhängig von Hilfe zu werden. Aber auch jüngere Menschen können durch Unfälle oder Krankheit in die Situation kommen, dass sie keine eigenen Entscheidungen mehr treffen können. Wer nicht vorsorgt, überlässt sich und sein Schicksal dann anderen Menschen. Möchten Sie das?

Familie Schneider hat schon ein paar Mal darüber gesprochen, über die Notwendigkeit einer Vorsorgevollmacht. „Dann heißt es zwar immer, dass wir das jetzt mal anpacken müssen, aber es bleibt dabei“, sagt Sven Schneider. Der Familienvater hat vor Jahren das Haus und Restaurant seiner Eltern übernommen. Die beiden leben nun in einem seniorengerechten Bungalow in der Nähe. Die zunehmende Hilfebedürftigkeit seiner Eltern und die eigene Hilflosigkeit im Umgang damit hatte Sven Schneider in meine Beratung geführt. Mit den Eltern hatte er schließlich Lösungen gefunden, das Leben im Alter gemeinsam besser zu organisieren und zu bewältigen.

„Aber was passiert, wenn meine Eltern nicht mehr sagen können, was sie sich wünschen?“, fragt der Sohn. Wenn die Betroffenen keine eigenen Vorkehrungen getroffen haben, übernimmt der Staat die Verantwortung. Er setzt gegebenenfalls einen gesetzlichen Betreuer ein, der sich um die Belange der zu betreuenden Person kümmert. Das können, müssen aber nicht die Angehörigen sein, erkläre ich Sven Schneider. „Können Sie uns helfen?“, fragt er. Aber sicher!

Vor dem Verfassen der Dokumente steht viel Arbeit – nämlich Gedankenarbeit. Ob Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung: Bevor ich schwarz auf weiß darlege, was mit mir geschehen soll, muss ich mir darüber im Klaren sein, was ich überhaupt möchte – oder eben auch auf keinen Fall will. Dabei sind pauschale Sätze wenig hilfreich. „Mein Vater sagt immer, dass er am Ende auf keinen Fall an Schläuchen hängen will“, berichtet Sven Schneider, „und ich will das für mich auch nicht.“ Ich erkläre ihm, dass „an Schläuchen hängen“ in unserer Gesellschaft gerne als Synonym für lebensverlängernde Maßnahmen in einer für den Patienten aussichtslosen Situation verwendet wird, etwa künstliche Ernährung oder eine Dialyse, die den Menschen nicht heilt, aber sein Sterben verzögert. „Aber wenn Sie in einer Patientenverfügung festhalten, dass Sie Schläuche generell ablehnen, würden Sie zum Beispiel auch eine künstliche Beatmung etwa im Falle einer Corona-Infektion ablehnen, die Sie mit der Behandlung wahrscheinlich überleben würden. Wollen Sie das?“ Sven Schneider schaut erschrocken drein: „Natürlich nicht!“

Darum gibt es für Patientenverfügungen auch Formulierungshilfen.„Das ist ganz schön kompliziert“, stöhnt mein Klient. Da kann ich ihm nicht widersprechen, aber schließlich geht es um nicht weniger als das eigene Leben und auch das eigene Sterben, auf das wir mit einer Patientenverfügung erheblichen Einfluss nehmen können. Umso wichtiger ist es, sich vorab intensiv mit diesem Ernstfall auseinanderzusetzen. „Den Tod verdränge ich eigentlich immer“, gibt Sven Schneider zu. Auch damit ist er nicht allein. „Es ist nicht schön, sich damit zu beschäftigen“, erkläre ich ihm, „aber es hat auch etwas Befreiendes und Beruhigendes, wenn wir es getan haben.“

Die Patientenverfügung regelt vor allem das Ende des Lebens. Doch auch in den Wochen, Monaten und oft Jahren vorher können wir gegebenenfalls nicht mehr in der Lage sein, eigene Entscheidungen zu treffen. Demenz im Alter sind häufige Gründe. Schwere Leiden, Unfälle oder  psychische Erkrankungen können aber bereits junge Menschen treffen. Mit einer Vorsorgevollmacht lege ich fest, wer in solch einem Fall für mich entscheiden darf.
In Spielfilmen und Krimis wird solch eine Vollmacht von der habgierigen Sippschaft ausgenutzt, um die Patienten unter Kontrolle zu haben, deren Konten zu plündern und sich auf ihre Kosten ein schönes Leben zu machen. Und tatsächlich bietet die Vorsorgevollmacht viele Freiheiten. Daher ist es unverzichtbar, sich vor dem Erteilen Gedanken zu machen und vor allem ganz viel darüber zu sprechen. „Das ist ein enormer Vertrauensbeweis“, mache ich Sven Schneider deutlich, „und für beide Seiten eine große Verantwortung.“

Der Bevollmächtigte muss wissen, wie sich der andere sein Leben vorstellt, wenn er auf Hilfe angewiesen sein wird: Allein mit ambulanter Pflege in der eigenen Wohnung, in einer stationären Einrichtung wie einem Seniorenheim oder einer Demenz-WG? Kann ich als Vollmachtgeber dem anderen vertrauen, dass er meine Wünsche umsetzen wird? Und nicht zu vergessen: Kann und will meine Vertrauensperson überhaupt diese Verantwortung übernehmen?

Wenn etwas passiert: Wie stelle ich sicher, dass zum Beispiel Ärzte, aber auch Banken und Behörden von der Vorsorgevollmacht bzw. Patientenverfügung erfahren? „Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht“, räumt Sven Schneider ein, „wie mache ich das?“ Die Familie zu informieren, ist ein wichtiger Schritt. „Sie sollten aber auch Ihrem Hausarzt Bescheid geben, immer einen Hinweis bei sich tragen – etwa mit den Ausweispapieren – und wer allein lebt, zum Beispiel eine Notfalldose haben, die Sanitäter schnell finden.“ Ein weiterer Tipp: In jedem Smartphone lassen sich für den Notfall Nummern einspeichern, auf die Helfer ohne den PIN-Code zugreifen können.

Sven Schneider stellt fest, dass er und seine Familie noch mehr über das Thema reden müssen. „Können Sie nicht dazukommen und uns alles erklären?“, fragt er. Auch das ist möglich. Wir vereinbaren einen gemeinsamen Online-Termin. Neben Sven Schneider wollen auch seine Frau, die gerade volljährig gewordene Tochter und natürlich die Eltern dazu kommen. „Und wenn Sie möchten, können wir später noch eine gemeinsame Schreibwerkstatt durchführen“, biete ich ihm an. Denn dann bleibt es tatsächlich nicht beim „Wir müssten mal…“

Hier finden Sie Näheres zu den Infoveranstlatungen und der Schreibwerkstatt: https://www.work-life-care.de/vollmacht-patientenverfuegung/

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